Ein Wurf für die Ewigkeit

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Ein Wurf für die Ewigkeit


June 12, 2023




von J. Schuetz

Seit der Handball Saison 2020/21 läuft die Co-Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft für den ungarischen Traditions Klub, FTC Rail Cargo aus Budapest auf, wo sie bereits in ihrer ersten Saison die Meisterschaft feiern konnte.  In den beiden folgenden Jahren gewann die wurfgewaltige, 25-jährige Rückraumspielerin, den ungarischen Pokal jeweils gegen den Erzrivalen Györ AUDI ETO KC.

In Ungarn ist Emily Bölk zu einer absoluten Führungspersönlichkeit gereift, eine Rolle welche sie insbesondere im Halbfinale des EHF Champions League FINAL4 der Saison 2022/23, in der MVM Arena von Budapest, eindrucksvoll unter Beweis stellte.  Acht Sekunden vor dem Spielende sicherte Bölk’s kraftvoller Sprungwurf, aus 10 Metern Entfernung, ihrem Team die Endspielteilnahme.

Das Tor gegen Team Esbjerg zum 30:29 Endstand, garantierte nicht nur die erste Endspielteilnahme für FTC Rail Cargo seit Einführung des FINAL4 Formats im Jahr 2014; mit ihrem Wurf, vor der Weltrekord Kulisse von 20.022 Zuschauern, ging die gebürtige Buxtehuderin auch in die Annalen der Europäischen Handball Föderation (EHF) ein.

Ein derartig emotional aufgeladenes Ende hatte es in der Geschichte des EHF Champions League FINAL4 der Frauen noch nicht gegeben. “Be Part of History” lautete die Losung des Veranstalters im Vorfeld –  Bölk’s “Buzzer Beater” sollte den offiziellen Hashtag für immer mit Leben erfüllen und Wirklichkeit verleihen.

Wenige Tage nach dem EHF Champions League FINAL4, traf stregspiller.com Emily Bölk in Köln und sprach mit ihr über einen Wurf für die Ewigkeit, Emotionen, Eindrücke und Erkenntnisse, nach der Endrunde in Budapest.

Hast Du die Eindrücke vom EHF Champions League FINAL4 Wochenende in Budapest schon verarbeitet?

EB: Noch nicht so richtig.  Ich denke ich bin noch im Prozess.  Wenn ich ein paar ruhige Momente habe wo ich runterkomme und mir noch einmal die Bilder und Videos vom FINAL4 Wochenende anschaue, dann bekomme ich immer noch eine Gänsehaut.

Die ganze Action und Erinnerungen vom ganzen Wochenende sind nach wie vor sehr präsent und ich bin noch mitten drin, daß alles zu verarbeiten.

Für Dich war es Dein erstes EHF Champions League FINAL4 – wie würdest Du die Erlebnisse zusammenfassen?

EB:  Es war natürlich alles super aufregend.  Für mich hatte das schon mit der Qualifikation in Metz angefangen.  Während den letzen Wochen der Saison lag der Fokus für mich komplett auf dem FINAL4.   Wir hatten zwar noch einige Ligaspiele, die wir auch nicht ausser Acht lassen durften, aber in der letzten Woche vor dem FINAL4 wurde die Aufregung immer größer.

Es fing an mit der Ankunft im Hotel in Budapest, dem Media Call am nächsten Tag – wo extrem viel los war – die vielen Journalisten aus den unterschiedlichsten Ländern, die auf mich und meine Mitspielerinnen zukamen, die Opening Party vor der Arena, unser Abschlusstraining, wo eigentlich gar nichts zusammen lief, was wahrscheinlich auch mit der Aufregung zu tun hatte.

Viele meiner Freunde waren schon am Freitag vor Ort, die mich zwischen den ganzen FTC Fans überraschten. Das alles zusammen und die mediale Präsenz waren schon sehr beeindruckend.

Für mich persönlich war natürlich das Halbfinale das alles überstrahlende Highlight, insbesondere unser Comeback in der zweiten Halbzeit und der “Buzzer Beater” am Ende vom Spiel, der uns ins Finale brachte. Nicht zu vergessen die Halle, die danach total ausrastete.  Ich weiß gar nicht wo ich anfangen oder aufhören soll.  Das waren so viele tolle Erlebnisse –  Familie und Freunde auf der Tribüne zu wissen, die mit einem mitfiebern und mitfühlen konnten.

Das alles dann am Sonntag mit einer Silbermedaille zu krönen war unfassbar.

Wie waren die Erwartungen des Klubs im Vorfeld des EHF Champions League FINAL4?

EB:  Also wir hatten gar keinen Druck.  Absolut nicht. Wir mußten nichts erreichen oder das unmögliche möglich machen. Unsere Prämisse war die beste mögliche Performance auf das Parkett zu legen.

Wir hatten uns selbstverständlich auf das Halbfinalspiel gegen Esbjerg vorbereitet und wollten die taktischen Maßnahmen, die wir einstudiert hatten, auch umsetzen. Das war es, was Gabor (Gabor Elek, Cheftrainer FTC) von uns sehen wollte.

Wir sollten keine Berge versetzen, sondern das ganze Event geniessen, zusammen mit unseren Fans. Das haben wir im Großen und Ganzen auch gut hinbekommen.  Leider hat es am Ende nicht ganz gereicht.

Konntest Du in der Nacht zwischen Halbfinale und Endspiel überhaupt zur Ruhe kommen?

EB:  Ich habe mir schon erlaubt unser Halbfinale auf mich einwirken zu lassen und es wirklich zu geniessen, was da gerade passiert war. Für mich war schon vorher ein Riesentraum in Erfüllung gegangen, überhaupt an einem FINAL4 teilzunehmen.

Das alles dann “zu Hause”, in unserer Stadt, vor einem überwiegend heimischen Publikum und vor dieser fantastischen Kulisse.  Da dabei zu sein und es bis ins Finale zu schaffen habe ich schon genossen und auf mich einwirken lassen, anstatt mich direkt abzuschotten.

Die Momente nach dem Schlusspfiff im Halbfinale waren so emotional, ich kann sie eigentlich gar nicht richtig beschreiben. Danach war ich dann noch sehr lange in der Mixed Zone – bestimmt eine Stunde lang – bevor ich überhaupt erst die Regeneration einleiten konnte. Unser Staff hatte aber alles sehr, sehr gut vorbereitet.

Dann ging es zurück ins Hotel, Besprechung, gut essen, um Energie aufzutanken, Massage, Behandlung und dann schnellst möglich in den Schlaf zu kommen.  Letzteres hat sogar relativ gut funktioniert.

Ich war auch nicht die erste in der Nachbehandlung und konnte somit die Reaktionen auf den Social Media Kanälen und die  Videos vom letzten Wurf anschauen.  Alles konnte ich natürlich nicht lesen bzw. sehen, aber so einen kleinen Eindruck bekam man ja schon.

Und dann war ich gegen ca. 00:30 Uhr im Bett und bin mit einem guten Gefühl eingeschlafen.

Hast Du das Endspiel gegen Vipers Kristiansand schon Revue passieren lassen? Bis zur Halbzeit lag FTC nur mit einem Tor im Rückstand.

EB:  Genau. Eigentlich hatten wir in dem Moment eine bessere Voraussetzung, als wir sie im Halbfinal hatten. Ich fand auch, dass wir es in der ersten Halbzeit gut gemacht hatten.  Im Nachhinein hätte ich gerne den ein oder anderen Pfiff für uns gehabt, weil es uns noch einmal einen Push gegeben hätte.

Es hat natürlich sehr viel Kraft gekostet immer wieder ins 1-gegen-1 zu gehen und dann war Vipers in der zweiten Halbzeit auch etwas cooler und sie haben ihre Chancen besser genutzt.

Immer wieder körperlichen Aufwand zu betreiben ohne entlohnt zu werden wird dann irgendwann auch mental immer anstrengender, um zurück zu kommen.

Dann bekam Tomori die Rote Karte und ab da fehlte uns auch in der Abwehr eine Option. Das war dann super anstrengend in so einem Turnier, innerhalb von 24 Stunden auf dem Niveau zu spielen.  Da war Vipers in der zweiten Halbzeit insgesamt einfach erfahrener und besser.

Für euren Cheftrainer, Gabor Elek, war es das letzte Spiel auf der Bank von FTC – hat er etwas anders gemacht als sonst?

EB:  Generell fand ich, dass er in den letzten Spielen der Saison bzw. als feststand, daß er gehen wird, er etwas entspannter wirkte. Ich denke man konnte merken, daß auch er diese letzten Wochen genossen hat.  Diese besonderen Momente, diesen riesigen Event zum Abschluss. Die Atmosphäre im Team in dieser Zeit war total entspannt und sehr angenehm.

Alle haben auf dieses Handball Highlight hingearbeitet ohne dabei irgendeinen Druck verspürt zu haben. Das, in Summe, war vielleicht anders bzw. besonders.

Was macht Emily Bölk als nächstes?

EB:  Erst einmal entspannen, runterkommen soweit es geht.  Andererseits bin ich so ein Typ, die versucht alles mögliche in ihre Freizeit rein zu quetschen und so viele Menschen wie möglich zu sehen, weil ich während der Saison doch relativ selten nach Hause komme.  Deswegen bin ich viel unterwegs – positiver Freizeit Stress sozusagen.

Danach geht es aber noch einmal richtig in Urlaub, auf eine Insel vor der Küste Ostafrikas, wo ich dann komplett ausspanne, bevor am 20. Juli die Vorbereitung in die neue Saison startet.

 

 

 

 

 

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