Freier Kopf, freies Spiel

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Freier Kopf, freies Spiel


November 12, 2022




von Sascha Staat

Die Lage der Nation: Freier Kopf, freies Spiel

 

Es war fast ein Unterschied wie Tag und Nacht, der erste Auftritt der deutschen Frauen in Skopje im Vergleich zu den Auftritten in Podgorica. Fast alles ging, zumindest von der Tribüne aus betrachtet, leicht und locker von der Hand. Fast alles funktionierte, die Gaugisch-Sieben bot gegen die im Vorfeld des Turniers als Titelkandidat gehandelten Niederlande ein fast perfektes Spiel mit viel Tempo, einer tollen Abwehr und weniger Fehlern in der Defensive.

Doch wo liegen die Ursachen dafür? „Wir haben einfach unser Spiel mal durchgezogen“, sagte eine sichtlich erleichterte Julia Maidhof im Anschluss an die Partie. „Wir haben uns durch viele gute Aktionen Selbstvertrauen geholt. Sowohl vorne als auch hinten hat viel geklappt. Dass es am Ende dann so ein klarer Sieg wird, ist einfach überragend.“ Ihr Gesichtsausdruck sprach in diesem Moment Bände, es war als hätte das Turnier neu angefangen.

Passend dazu meinte die Bietigheimerin: „Wir haben uns auch gesagt, dass wir hier mit null Punkten starten und es nochmal von vorne losgeht. Unser Motto war, dass wir heute wieder zeigen was wir können.“ Oder anders ausgedrückt: In einer schwierigen Situation, fast aussichtslos mit Blick auf das Finalwochenende von Ljubljana, konnte Deutschland befreit aufspielen. Eben etwas, was noch in den Tagen von Podgorica nicht der Fall gewesen war.

Hinzu kam, dass bei den Niederlanden, klar mit dem Ziel eine Medaille zu gewinnen angereist, der Druck spürbar war. Der Weltmeister von 2019 musste, Deutschland konnte. Mit jeder guten Aktion ging der Kopf dann auch beim DHB-Team ein bisschen weiter nach oben, beim Gegner immer weiter nach unten. Gefühlt entschied sich das Spiel Mitte des ersten Durchgangs, als die Mannschaft von Markus Gaugisch einen 5:8-Rückstand blitzschnell ausgleichen konnte.

„Wir haben dann im Angriff den Faden verloren und viel zu sehr an uns gezweifelt“, analysierte am Tag danach Torhüterin Yara ten Holte die Pleite der Niederlande. In diesem Moment fingen einzelne Spielerinnen an miteinander zu diskutieren, gerade für das Team von Per Johannsson nie ein guter Indikator. Der Fokus war weg, den Faden fanden sie nie wieder. Insbesondere auch, weil Deutschland auf der anderen Seite von Minute zu Minute sicherer wurde.

Ein weiterer wichtiger Punkt war, dass die Niederlande nie wirklich Geschwindigkeit auf die Platte bringen konnten. „Wir haben ihre größte Waffe, das Tempospiel, sehr gut unterbrochen“, sah Luisa Schulze darin den Schlüssel zum Erfolg. „Wir sind dann locker geblieben, selbstbewusst und haben 60 Minuten lang unser Spiel durchgezogen.“ Die Aussage kommt einem doch irgendwie bekannt vor, freier Kopf und freies Spiel.

Diese Lockerheit und diesen Spielwitz bis zum Spiel gegen Frankreich am Dienstag zu bewahren, wird nun zum absoluten Schlüssel, wenn man nach einem holprigen Start in die EHF Euro 2022 noch weiter erfolgreich sein will. Der Spielplan sei diesbezüglich nicht „ganz so cool für uns“, gab Maike Schirmer offen zu. „Gerade wenn man gewonnen hat ist man euphorisiert und will eigentlich direkt das nächste Spiel spielen. Auf der anderen Seite ist es gut, dass wir den Kopf etwas frei bekommen.“

Dass nun mit Frankreich der Olympiasieger wartet, sollte dem deutschen Team entgegenkommen. Der Druck, er lastet auf dem Gegner. Deutschland wird sowieso nichts erreichen, das werden die Kritiker denken. Das dachten sie aber auch schon vor dem Spiel gegen die Niederlande. Und plötzlich war der Kopf frei…

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