Jetzt oder doch nie?

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Jetzt oder doch nie?


November 3, 2022




von Sascha Staat

 

Die Lage der Nation: Jetzt oder doch nie?

 

Fragen in Schlagzeilen zu stellen verbietet sich eigentlich, aber in diesem Fall muss die Ausnahme erlaubt sein. Denn für die deutschen Frauen stellt sich vor dem Start der EHF Euro 2022 genau diese Frage: Jetzt oder doch nie? Denn trotz verletzungsbedingter Ausfällen stehen die Chancen auf ein sehr erfolgreiches Turnier so gut wie seit Jahren nicht. Wenn, ja wenn das Team von Markus Gaugisch sein Potenzial konstant abruft und am Limit spielt.

Was möglich ist zeigten nicht nur die Testspiele vor ein paar Wochen gegen Frankreich, sondern auch die aktuellen Auftritte unmittelbar vor dem Start gegen Ungarn und, wenn auch nur in Teilen, gegen Rumänien. Klar, die beiden Kontrahenten traten jeweils nicht mit ihrer stärksten Auswahl an und beide mussten aus diversen Gründen auf Leistungsträgerinnen verzichten. Aber solche Vorstellungen sind dennoch ein Fingerzeig, wobei gegen Rumänien auch Sand im Getriebe war.

Während gegen Ungarn fast alles funktionierte, kam der wurfstarke Rückraum von Rumänien um Cristina Neagu oft in guten Positionen zum Abschluss. Crina Pintea, eine körperlich sehr starke Kreisläuferin, die ihre Sperren halten kann, sorgte ebenfalls für das ein oder andere Problem. Hinzu kamen ein paar technische Fehler und auch einige Großchancen wurden vergeben. Außerdem setzte Gaugisch nicht immer auf die erste Sieben. Sprich: Er testete und schonte.

Zu erkennen ist seit seiner Amtsübernahme jedenfalls, dass ein frischer Wind bei den deutschen Frauen weht. Vor allem offensiv scheint er ein gutes Gespür dafür zu haben, was den Spielerinnen und ihren jeweiligen Stärken entgegenkommt. In der Positionsabwehr funktioniert sehr viel und  die 20 Gegentore im Duell mit Ungarn sprechen eine ziemlich deutliche Sprache. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Ungarn – zumindest gefühlt – fast mit der dritten Garnitur antrat.

Hinter der deutschen Abwehr steht mit Katharina Filter aktuell eine Torhüterin, die sich in bestechender Verfassung befindet. Im Sommer wagte sie den Schritt von Buxtehude nach Dänemark. Es ist reine Spekulation, ob es der entscheidende Grund für ihre rasante Entwicklung der letzten Wochen war oder ob sie nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten dieses Niveau in der Bundesliga ebenfalls erreicht hätte.

So oder so besitzt sie schon in jungem Alter eine enorme Ausstrahlung und hat das Selbstvertrauen, das man braucht, um der eigenen Defensive den nötigen Halt zu geben. Vor ihr bringt Xenia Smits absolute Weltklasse und eine fantastische Form mit nach Montenegro. Zudem ist Meike Schmelzer wieder fit und lernt das System von Gaugisch mit jeder Trainingseinheit besser kennen. Genau das hatte die Kreisläuferin noch nach den Partien gegen Frankreich angesprochen.

Das Rückzugsverhalten bleibt eine Achillesferse der DHB-Auswahl, zusammen mit dem Angriff, der mit genügend Tempo zu ausreichend Toren kommt. Stoppt der Gegner allerdings diesen Elan, dann wird es schwer- Während Emily Bölk und Alina Grijseels in ihren Clubs absolute Führungsrollen innehaben, trifft dies bei Julia Maidhof in Bietigheim nicht zu. Auf sie wird es aber besonders ankommen, denn hinter ihr (und auch Grijseels) mangelt es an entsprechenden Alternativen.

Unter anderem, weil Alicia Stolle verletzt ist. Maren Weigel, die nun ihre Position einnimmt, hat auf dem höchsten Niveau wenig bis gar keine Erfahrung. Gaugisch wird also viel rotieren müssen, hier kommt auf Xenia Smits eine Schlüsselaufgabe zu. Sie ist variabel einsetzbar und topfit. Aber auch sie kann nicht in jedem Spiel über 60 Minuten auf der Platte stehen. Zudem fehlt Antje Döll, die auch neben dem Feld ein wichtiger Faktor war.

Zumindest offensiv sollte Johanna Stockschläder aber in der Lage sein diese Lücke zu füllen. Viel Zeit, um dafür entsprechend gewappnet zu sein, bleibt nicht. Denn Auftaktgegner Polen ist gerade zu Beginn eines Turniers immer zu einer Überraschung fähig. Dennoch stehen die Vorzeichen gut, zumal bei vielen Nationen etliche Topspielerinnen fehlen. Auf dem möglichen Weg ins Halbfinale oder gar zu einer Medaille stellt sich also völlig zurecht die Frage: Jetzt oder doch nie?

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