
Keine Zeit für Angst
December 13, 2021
Die Lage der Nation – Teil 6
Angst ist bekanntermaßen kein guter Ratgeber. Aber genau dieser Faktor bestimmte den Auftritt der DHB-Auswahl im letzten WM-Hauptrundenspiel gegen Dänemark. Von der ersten Minute an lief wenig zusammen. “Wir waren wie das Kaninchen vor der Schlange”, sagte Henk Groener im Anschluss. Damit brachte es der Bundestrainer auf den Punkt. Gegen einen starken Gegner ergab man sich förmlich, weil der Glaube an die eigenen Stärken fehlte und Respekt in Angst umschlug.
Alicia Stolle sah das genauso. “Wir haben viel zu ängstlich gespielt. Es fehlte der Druck zum Tor, auch der nötige Wille und die Aggressivität”, meinte sie nach der 16:32-Klatsche. Anders kann man das Ergebnis nicht beschreiben, denn nach den bis dato gezeigten Leistungen war besonders die Art und Weise, wie das Resultat zustande kam, ein herber Rückschlag. “Wir müssen hoffen, dass wir das schnell aus den Köpfen kriegen und am Dienstag im Viertelfinale ganz anders auftreten”, fügte die Linkshänderin an.
Das wird nötig sein, wenn man gegen Spanien gewinnen möchte. Klar, die Gastgeberinnen sind nicht mit Dänemark zu vergleichen. Weder befinden sie sich auf dem Niveau der Skandinavierinnen, noch agieren sie taktisch ähnlich. Die Spielweise mit einer offensiveren Deckung sollte der deutschen Mannschaft mit Sicherheit entgegen kommen. Entscheidend ist zunächst jedoch die Aufarbeitung des Auftritts von gestern.
Torgefahr strahlte eigentlich nur Alina Grijseels aus, wobei sie bevorzugt andere in Szene setzt. Bisher kombinierte sie Abschluss und Vorarbeit auf einem außerordentlich hohen Level. Doch am Sonntag wurde sie vom restlichen Rückraum zu oft im Stich gelassen. Emily Bölk konnte keinen ihrer sieben Versuche im Kasten unterbringen, nachdem sie gegen Südkorea noch überragend gespielt hatte. Die tiefer stehende Defensive von Dänemark machte ihr das Leben enorm schwer.
Außerdem war zu erkennen, dass die Laufwege nicht zu 100 Prozent stimmten. Selbiges lies sich im Positionsangriff, als auch in der zweiten oder dritten Welle beobachten. Details, an denen gearbeitet werden muss. Viel Zeit bleibt nicht. Wichtiger ist es die passende Einstellung zu finden. Durchaus erklärbar war, dass aufgrund der Qualifizierung zum Viertelfinale und des hohen Rückstands ein richtiges Aufbäumen, im letzten Gruppenspiel, fehlte.
Das darf im Viertelfinale nicht passieren, denn mit den heimischen Fans im Rücken wird Spanien 60 Minuten, oder länger, Vollgas geben. Und die deutsche Mannschaft hat definitiv die Qualität, um dagegenzuhalten. Objektiv betrachtet ist der DHB Kader stärker, als der der Gastgeberinnen. Es kommt der DHB-Sieben ganz sicher entgegen, dass sie als leichter Außenseiter in die Partie geht. In Spanien, und nicht nur dort, gehen alle von einem Einzug der Heimmannschaft ins Halbfinale aus.
Der Druck liegt also eindeutig beim Vize-Weltmeister. Im Gegensatz dazu haben die deutschen Frauen nichts zu verlieren. Stattdessen bekommen sie eine neue Chance. Wenn sie mit den gleichen Emotionen und Selbstbewusstsein in die Partie gehen, wie sie das in fünf der sechs Begegnungen bereits gezeigt haben, dann sieht es gut aus. Begeisterung und Kampfgeist sind jetzt gefragt.
/ Sascha Staat