“Wir müssen über 60 Minuten mit Vollgas kommen!”

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“Wir müssen über 60 Minuten mit Vollgas kommen!”


November 4, 2022




von Sascha Staat

 

Morgen startet die EHF EURO 2022 und ihr seid Teil einer Gruppe, die ausgeglichen, gefährlich, aber auch machbar ist. Wie schätzt Du das ein?

Xenia Smits: Ja, genauso. Es ist alles möglich. In allen Richtungen. Wenn wir nicht abliefern, kann es auf jeden Fall gefährlich werden. Aber wenn wir unsere Leistung bringen, sieht es auch sehr gut aus für uns. Ich habe auf jeden Fall so ein doppeltes Gefühl.

Was muss denn passieren, damit ihr “abliefert”?

Xenia Smits: Wir müssen einfach überzeugt an die Spiele rangehen. Ich glaube wir sind gut vorbereitet was das Taktische betrifft. Wir wissen, was wir spielen wollen, sowohl in der Abwehr als auch im Angriff. Wir haben uns jetzt noch nicht jeden Gegner im Detail angeguckt, aber was Polen angeht, sind wir natürlich schon vorbereitet. Aber wir müssen an uns glauben. Dann müsste eigentlich jeder Gegner machbar sein.

Du kennst euren Trainer Markus Gaugisch auch aus dem Verein und daher wusstest Du schon ein bisschen, was auf Dich zukommt. Was hat sich im Vergleich zu Henk Groener denn verändert, ohne sagen zu wollen was besser oder schlechter ist? Was wird anders gemacht?

Xenia Smits: Bei den taktischen Vorgaben hatten wir mehr Freiheiten. Also es war eher lockerer, würde ich sagen. Markus hat schon sehr genaue Vorstellungen, was er wie spielen möchte, wo wir angreifen wollen, wie wir es verteidigen wollen. Das ist einfacher. Er schaut auch ein bisschen mehr auf die Gegner. In den letzten Jahren haben wir uns mehr auf uns fokussiert, was ja auch Sinn macht. Aber jetzt sind wir ein bisschen mehr ins Detail gegangen und haben uns mit den Gegnern sehr beschäftigt und auch mal was anderes angepackt. Was zwar immer schwierig ist, wenn es so kurzfristig ist, aber ich glaube, für eine Nationalmannschaft sollte es möglich sein.

Ich fand die Auftritte in Frankreich schon relativ überzeugend und gegen Ungarn sowieso. Aber das muss man etwas relativieren, weil die beiden Nationen nicht die komplette Mannschaft auf der Platte hatten. Gegen Rumänien wurde viel ausprobiert und viel gewechselt. Wie schätzt Du diese Leistungen ein, insbesondere gegen Frankreich? Das ist sicherlich ein Gegner, mit dem ihr euch auf Dauer messen wollt?

Xenia Smits: Ich glaube gegen Frankreich hat man schon gesehen, als sie angefangen haben zu wechseln und gedacht haben wir machen das gegen die Deutschen schon, dass sie dann doch schnell wieder zurück gewechselt haben. Das ist ein gutes Zeichen. Das heißt wir haben stark gespielt. Sie mussten auch die die erfahrenen Spielerinnen bringen, um gegen uns zu gewinnen. Das sieht man gerne als Gegenspieler, weil das heißt, wir sind stark genug, und dass sie nicht sagen können, wir wechseln mal einmal durch und es funktioniert trotzdem.

Ungarn ist nicht die Mannschaft, die wir kennen, aber es wird die Mannschaft sein, mit der sie bei diesem Turnier spielen werden. Und das ist am Ende auch ausschlaggebend. Das muss man auch erstmal so machen und nicht aufhören, wenn man schon ein paar Tore vorne liegt. Mit elf Toren zu gewinnen ist schon auch gut.

Rumänien war tatsächlich so ein Tag, an dem wir nicht alles mit Überzeugung gemacht haben. Es war aber auch wichtig für unsere Entwicklung, dass wir dann sehen, okay, wenn wir nur 80 Prozent geben, dann reicht es einfach nicht und wir müssen schon mit voller Überzeugung und über 60 Minuten mit Vollgas kommen, damit wir auch hier erfolgreich sind. Es war ein gutes Spiel, um die Augen noch mal zu öffnen, dass es noch nicht von selbst läuft, wir immer wieder weiterarbeiten müssen und auch Vollgas geben müssen. Deswegen war es eigentlich eine gute Vorbereitung, würde ich sagen.

 

Wir haben am Anfang darüber gesprochen, wie die Gruppe einzuschätzen ist, nämlich dass sie durchaus gefährlich ist. Trotzdem ist sie machbar und ihr wollt auch abliefern, wie Du selbst gesagt hast. Müsst ihr immer am Limit spielen oder ist vielleicht auch mal eine schlechtere Halbzeit drin, weil ihr mehr an euch glaubt als früher? Das war auch gegen Frankreich so. Vor zwei drei Jahren hättet ihr dieses Spiele deutlich verloren. Das ist jetzt nicht passiert. Auch gegen Rumänien seid ihr am Ende noch mal zurückgekommen und hättet das Spiel fast noch gewonnen. Da ist eine Veränderung klar zu erkennen…

Xenia Smits: Ja, es hat sich was verändert. Ich glaube wir haben in den letzten Jahren auch alle an Erfahrung gewonnen, sowohl international, als auch im Verein. Wir haben jetzt auch einige, die mit ihrem Verein international viele Spiele hatten und auch viele Spielanteile. Wir müssen aber immer an das höchste Level rankommen. So mit 50 Prozent reicht es einfach nicht. Und das wollen wir auch machen. Klar kann 100 Prozent an unterschiedlichen Tagen etwas anderes bedeuteten, aber die brauchen wir schon. Natürlich werden die Gegner vielleicht auch mal einen schlechteren Tag haben und dann ist da ein bisschen mehr Puffer drin. Andersrum aber genauso. Wenn die einen guten Tag haben, dürfen wir da keinen Puffer einplanen. Also am besten Vollgas, immer mit 100 Prozent und dann reicht es hoffentlich für die sechste Punkte in der Vorrunde.

Was das Selbstvertrauen angeht kommst Du selbst mit jeder Menge Vertrauen in die eigene Stärke zur Nationalmannschaft, weil ihr in Bietigheim das Verlieren fast verlernt habt. Umso ärgerlicher, dass Antje Döll nicht mit dabei ist. Sie hat zum Beispiel gegen Frankreich genau dieses Selbstvertrauen auf die Platte bekommen. Ich finde, dass sie anders auftritt, aber auch die Dortmunder Spielerinnen, die zwei Jahre Erfahrung in der Champions League gesammelt haben. Wie siehst Du das?

Xenia Smits: Ich glaube alle aus der Mannschaft haben viel an Vertrauen gewonnen. Wir wissen jetzt auch durch die internationalen Ergebnisse und Erfolge, dass andere Länder auch manchmal Angst vor uns haben. Wir haben auch gesagt, wir bereiten uns auf Gegner vor und haben manchmal Spielerinnen, wo wir sagen, oh, aufpassen. Aber andersherum ist es genauso. Und uns das bewusst zu machen, dass auch wir gefährlich sind für andere Nationen, das haben wir uns jetzt auf jeden Fall mal vorgenommen. Wir brauchen keine Angst zu haben, Respekt ist okay, aber auch wir können viel. Und wenn wir daran glauben, ist es immer einfacher das umzusetzen. Das wollen wir jetzt auch machen – diesen Glauben an uns selbst einfach auf die Platte zu bringen.

Ist das auch etwas, was ich von Henk Groener jetzt zu Markus Gaugisch geändert hat? Oder was glaubst Du wann diese Entwicklung stattgefunden hat?

Xenia Smits: Naja, ich würde nicht sagen, dass Henk nicht hinter uns gestanden oder nicht an uns geglaubt hat, um Gottes Willen. Vielleicht wäre das auch mit ihm so gekommen, das ist immer schwierig zu sagen. Wir haben natürlich auch mit Claudia, unserer Teampsychologin, wobei sich Psychologin immer auch sehr hart anhört, einfach daran gearbeitet, dass wir jetzt da stehen, wo wir stehen. Das liegt nicht immer am Trainer, sondern auch einfach an der mannschaftlichen Entwicklung. Aber es hat mir persönlich schon viel geholfen jetzt mit Markus, den ich halt aus dem Verein kenne und der oft in der Halle steht und sagt, dass, es geil ist was wir hier machen. Das ist einfach so.

Lass uns zum Abschluss noch über eine Spielerin konkret sprechen – Katharina Filter. Sie hat im Sommer den Schritt ins Ausland gewagt. Du hast auch schon in Metz im Ausland gespielt und weißt wie das ist. Man kann jetzt spekulieren, dass sie diese Entwicklung auch in Buxtehude gemacht hätte, weil ihre Form unglaublich gut ist und sie ihr Selbstvertrauen auch ausstrahlt. Als Abwehrchefin kannst Du das sicher sehr gut beurteilen, inwiefern sie euch noch mehr Rückhalt geben kann, als in Spanien vor einem Jahr. Wie schätzt Du das ein?

Xenia Smits: Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mich mehr oder weniger auf Kathi verlassen kann. Das war schon immer der Fall. Egal welche Torfrauen bei uns im Tor standen, ich hatte schon immer das Gefühl, dass die für uns da sind. Kathi hat in dieser Saison in Dänemark schon echt mega abgeliefert. Ob das jetzt, wie Du sagst, daran liegt, dass sie gewechselt ist oder nicht – schwer zu sagen. Ein Wechsel ist immer gut für eine Entwicklung, denke ich, kann aber auch schwierig sein. Man muss sich ja irgendwie anpassen. Aber das, was sie jetzt abliefert, ist einfach unglaublich. Aber das macht eine Isabell Roch in Rumänien eigentlich auch. Es können also beide sehr, sehr stark aufspielen und sind ein enorm wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft.

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